Überleben statt fühlen –Schutzmechanismen verstehen: Was passiert, wenn etwas zu viel ist?

Wenn ein Mensch etwas zutiefst Bedrohliches, Verletzendes oder Überforderndes erlebt, reagiert die Psyche oft ganz automatisch mit Schutz. Diese inneren Reaktionen entstehen nicht willentlich. Sie sind ein Versuch von Körper und Seele, mit einer Situation umzugehen, die sich kaum aushalten ließ. Das ist wichtig zu wissen: Diese Reaktionen sind keine Schwäche. Im Gegenteil, sie zeigen, wie klug und überlebensstark unser System ist. Es hat versucht, das Unfassbare erträglich zu machen.

Zu diesen Schutzmechanismen zählen zum Beispiel:

  • Dissoziation – das „Abschalten“ von Gefühlen, Körperempfindungen oder Erinnerungen, wenn es zu viel wird.

  • Erstarrung (Freeze) – das Gefühl, innerlich wie gelähmt zu sein, nicht reagieren zu können.

  • Vermeidung – bestimmte Menschen, Orte oder Gefühle nicht mehr zuzulassen, um sich sicherer zu fühlen.

  • Reenactment – ein oft unbewusstes Wiederholen alter Muster oder Situationen, als Versuch, etwas zu lösen oder zu heilen, was einst unerträglich war.

In der Traumatherapie geht es nicht darum, diese Reaktionen sofort zu verändern oder abzuschaffen. Zuerst ist es wichtig, sie zu verstehen und zu würdigen, denn sie haben geholfen, schwierige Erfahrungen zu überleben.

Im geschützten therapeutischen Raum kann nach und nach Sicherheit im Hier und Jetzt entstehen. Erst dann wird es möglich, mit dem inneren Erleben in Kontakt zu kommen achtsam, im eigenen Tempo, ohne sich erneut überwältigt zu fühlen.

Das Ziel ist nicht, „funktionieren“ zu müssen, sondern sich selbst besser zu verstehen, neue Wege zu entdecken und alte Schutzmuster behutsam zu lösen, wenn sie nicht mehr hilfreich sind. So kann Stück für Stück mehr Selbstbestimmung, Ruhe und Lebendigkeit zurückkehren.

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Wir lieben, wie wir verletzt wurden, bis wir es anders lernen

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Erstes Herantasten: Sanfte Fragen zu belastenden Erfahrungen