Entwicklungstrauma oder Bindungstrauma?

Die Begriffe Bindungstrauma und Entwicklungstrauma werden häufig gemeinsam genannt und tatsächlich überschneiden sie sich in vielen Bereichen. Beide betreffen frühe, prägende Erfahrungen und können unser Nervensystem, unsere Gefühlswelt und unsere Beziehungsfähigkeit tief beeinflussen. Dennoch lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Bindungstrauma – wenn Nähe nicht sicher war

Ein Bindungstrauma entsteht, wenn frühe Bezugspersonen, meist Mutter, Vater oder andere enge Vertraute, emotional nicht verfügbar, inkonsistent oder überfordernd waren. Das Kind erlebt Beziehung nicht als verlässlich, sondern als Quelle von Stress oder Unsicherheit.

Typische Ursachen können sein:

  • emotionale Vernachlässigung oder Überforderung

  • unberechenbares oder übergriffiges Verhalten der Bezugspersonen

  • starke emotionale Verstrickung oder Parentifizierung (Kind übernimmt Verantwortung für das emotionale Gleichgewicht der Eltern)

  • Missbrauch von Nähe (emotional, psychisch, körperlich)

Bindungstrauma betrifft vor allem das Erleben von Nähe, Vertrauen und emotionaler Sicherheit. Es wirkt sich auf die Fähigkeit aus, gesunde Beziehungen zu führen, Grenzen zu spüren und sich selbst in Kontakt zu regulieren.

Entwicklungstrauma: Wenn grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllt wurden

Ein Entwicklungstrauma bezieht sich auf eine umfassendere Störung der frühen kindlichen Entwicklung, die entsteht, wenn wichtige Bedürfnisse über längere Zeit nicht erfüllt wurden. Dabei kann es auch (aber nicht nur) um Bindung gehen.

Ursachen können sein:

  • andauernder emotionaler Mangel (z. B. kein Trost, kein Gesehenwerden)

  • chronische Unsicherheit oder Überforderung im Umfeld

  • fehlende Unterstützung bei der Regulation von Gefühlen

  • Vernachlässigung oder ständige Überanpassung

  • keine Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu entwickeln

Entwicklungstrauma beeinflusst grundlegende Prozesse wie Selbstregulation, Identitätsbildung, Selbstwert, Autonomie und Beziehung zum eigenen Körper. Es geht also um die gesamte emotionale und neurobiologische Entwicklung eines Kindes nicht nur um Bindungserfahrungen.

Kurz gesagt:

  • Bindungstrauma betrifft vor allem die Beziehung zu anderen – Nähe, Vertrauen, emotionale Sicherheit.

  • Entwicklungstrauma betrifft die gesamte Reifung des Selbst – die Fähigkeit, Gefühle zu regulieren, sich sicher zu fühlen und sich als eigenständige Person zu erleben.

Weiter
Weiter

Bindungstrauma: Wenn Nähe wehtut und Sie sich doch danach sehnen